Gebet – Qual oder Quelle?

Wie sich deine Gebete von ermüdend zu erfrischen verändern

Meine Großeltern waren Christen mit Herz und Seele und so war der Glaube immer fester Bestandteil von Familienfesten. Und immer am Abend, gerade dann, wenn wir Kinder am meisten Spaß hatten, riefen uns unsere Eltern zum gemeinsamen „Schluss machen“ (so nannten wir das 😉 ) und als krönender Abschluss kam das gemeinsame Gebet.

Mein Opa hat gebetet, was das Zeug hielt. Mit ganzem Herzen… und lange. Und ich weiß, wie ich als Kind darüber dachte: Was für eine unendliche Zeitverschwendung! Wie hätten wir diese letzten 45 Minuten (vielleicht waren es auch nur 15 Minuten? Wenn man sich langweilt, vergeht Zeit einfach nicht schnell genug…) doch so unglaublich sinnvoll nutzen können! Tja, als Kind hab ich das gering geschätzt, was ein riesen Segen für mein Leben war und ist: Die Gebete meiner Großeltern und Eltern.

Betende Hände
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Aber jetzt bin ich erwachsen, und weiß eines: auch als Erwachsene finde ich manche Gebetstreffen unglaublich ermüdend. Und ich weiß, dass sehr viele Erwachsene das Gebet vermutlich ähnlich ermüdend empfinden. So ermüdend, dass sie es ganz abgeschafft haben.

Aber vielleicht existiert in dir auch noch ein Funke, der denkt: es wäre aber schon gut wenn ich wüsste, wie ich mit Gott in Kontakt treten kann…

Gebet als qualvolle Pflicht

Ist Gebet für dich so anziehend wie eine lästige Pflicht?
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Die Anziehungskraft von Gebet scheint mir vergleichbar mit der des Zähneputzens: Es ist eine lästige Pflicht. Vielleicht findest du etwas anderes mühsam – bei mir ist es das Zähneputzen (besonders die Zahnseide). Ich liebe geputzte Zähne, sehe den Sinn und hasse es absolut, wenn meine Zähne nicht geputzt sind. Aber der Weg dahin löst bei mir keine Begeisterung aus.

Vor gut 14 Jahren spitzte sich die Lage zu. Ich musste nicht mehr nur meine eigenen 30 Zähne putzen. Nein, jetzt kamen auch noch die von bis zu vier Kindern dazu. Und die bekommen jedes Jahr mehr!

Dann hat der Zahnarzt dem ganzen irgendwann noch „die Krone aufgesetzt“: Wir sollen bei uns allen auch noch jeden Tag Zahnseide benutzen – jeder Zahn zweimal!

Was um alles in der Welt hat sich Gott beim Thema Gebet gedacht? Ist das wirklich wie es sein muss? Eine Qualvolle Pflicht? Oder kann es sein, dass ich Gebet falsche verstehe und es deshalb so erlebe?  Was für Lügen sind da, die mich und vielleicht auch dich so effektiv davon abhalten, Gott selbst tatsächlich zu begegnen? Wie Johannes Hartl einmal gesagt hat: Der Gott, der auf kreativste Weise eine atemberaubende, faszinierende Welt erschaffen hat, kann unmöglich selbst eine absolute Schlaftablette sein.

Ein Gott der sich nach dir sehnt?

Jesus hat unter anderem auch über Gebet geredet. An einer Stelle mit einer Frau an einem Brunnen. Diese Frau nutzte ziemlich wahrscheinlich die Mittagshitze zum Wasser holen, damit sie den anderen Frauen nicht begegnen musste.

Die Frau kommt aus Samarien. Jesus ist ein Jude. Er bittet sie, ihm Wasser zu geben. Die Juden damals hielten sich von den Samaritern so fern, dass sie nicht einmal durch das Land reisen wollten.

Ihre Reaktion auf seine Bitte ist fast geschockt: „Wie ist es möglich dass du dich als Jude dazu herablässt, mich um Wasser zu bitten? Mich, eine Samariterin und dazu noch eine Frau?“ Denn das Ansehen der Frauen damals war etwas anders als heute.

The Chosen
Szene von The Chosen www.the-chosen.net

Jesus antwortet: „Wenn du wüsstest, wie sehr ich mich herabgelassen habe: Dann würdest du mich bitten. Und ich würde dir dann Wasser geben, das die Kraft des Lebens in sich trägt… Dieses Wasser von dem Brunnen kann deinen Durst nicht dauerhaft stillen. Immer wieder wird es dich hier hertreiben, um mehr davon zu bekommen…

„Wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, wird niemals mehr Durst haben; vielmehr wird das Wasser, das ich ihm gebe, in ihm zur sprudelnden Quelle werden, deren Wasser ewiges Leben schenkt“ (Joh 4,14).

Gebet ist wie das Trinken aus einer Quelle.

Das Ganze hört sich an wie aus einem Marvel-Film. Versteh ich. Aber versuch mal zu hören was Jesus da sagt: Er erschafft in dir eine innere Quelle, die bewirkt, dass du lebendig wirst: anders lebendig als nur am Leben zu sein. Und diese innere Quelle bewirkt auch, dass dein Grab nicht das Ende von dir ist, sondern eher eine Tür, durch die du gehst.

Hört sich fiktiv an? Naja, vielleicht sind die Marvel-Comics ja eher von Gedanken aus der Bibel inspiriert, als dass die Bibel von Marvel inspiriert wurde 😉.

Im Deutschen gibt es das Sprichwort, dass man auf dem Holzweg ist. Ein Holzweg entsteht bei Holzfällarbeiten während dem Transport der Bäume aus dem Wald.  Wenn man auf ihm in den Wald hineinläuft, endet er im Nichts.

Beim Thema Gebet oder Kontaktaufnahme mit Gott gibt es echt viele dieser Holzwege. Sie hören sich (teilweise) logisch an, führen aber ins Nichts. Das erlebst du dann als ein enttäuschtes Gebetsleben/ spirituelle Reise.

Kennst du einen der folgenden Gedanken?

Du müsstest:

  • … Gott zeigen, wie ernst du es meinst!
  • … ein besserer Mensch sein, damit er dich hört!
  • … bestimmte Körperpositionen einnehmen, um dich zu öffnen.
  • … dich noch von Erbsünde befreien und reinigen. Dunkles liegt in deiner Vergangenheit – das hindert Gott daran, sich dir zu zeigen…
  • … meditieren, bestimmte Mantras beten.
  • … deine Wohnung reinigen.
  • … in ein buddhistisches Kloster gehen, um Gott zu erleben.

Was sind deine eigenen Gedanken, was du müsstest? Das sind die Holzwege.

Der echte Weg zu Gott durch Jesus. Gebet bedeutet Gott zum Gespräch einladen
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Aber es gibt eben auch den richtigen Weg durch den endlosen Wald an Wegen zu Gott. Und Gott kämpft dafür, dass du ihn findest!

Aus „Ich muss“ wird „Gott schenkt“

Eine meiner Töchter war als kleines Kind extrem stur und temperamentvoll. Keiner hat sich gefreut, wie sie sich freuen konnte – und keiner hat gezürnt wie sie. Der Drang, alles selbst zu machen und es dabei auch beim ersten Mal perfekt hinzubekommen, war extrem groß. An irgendeinem Punkt konnte ich über diese regelmäßigen Wutausbrüche nur den Kopf schütteln und lachen.

Eine Situation im Urlaub haben wir auf Video festgehalten. Soweit ich mich erinnere, haben wir ihren Groove gestört, weil wir etwas für sie gemacht haben. Und das wollte sie eigentlich selbst machen. So tobte und hüpfte sie bis zur völligen Erschöpfung auf einem Parkplatz in England. Ich wollte ihr aus der Situation helfen. Aber sie wollte es alleine schaffen.

Sie konnte das nicht akzeptieren:

„Es gibt einfach Dinge, die schaffst du nicht alleine und auch nicht perfekt. Gib es einfach zu: Du brauchst meine Hilfe und das ist nicht schlimm!“

Darf Gott dir helfen?

Ich glaube, bei Gott bin ich als Mensch oft so wie ein tobendes Kind, das alles alleine schaffen will.

Das schwerste, was ich je bei Gott lernen musste, war das: aufhören aus meiner menschlichen Kraft bei ihm etwas zu erreichen. Und das ist immer noch meine Tendenz:

Versuchen gut zu sein, ihn überreden, alles richtig zu machen, so zu beten, dass etwas passiert. Nicht zweifeln, Glauben haben, der Berge versetzt. Frieden, Hoffnung und eine positive Einstellung produzieren. Und vor allem: IHN ERREICHEN.

Stolz gegen Demut – Autonomie gegen Abhängigkeit

Gibt es ein Opfer, das Gott von dir fordert? Ja. Du musst deinen Stolz und deine Sturheit opfern, alles selbst machen zu wollen. Aber auch die Last, alles hinbekommen zu müssen.  Und den Holzweg-Glauben, dass du es tatsächlich schaffen könntest.

Jeder hat seine eigene Lebensgeschichte. Du hast deine ganz eigenen Erfahrungen und hast vielleicht auch deine eigenen Holzwege entdeckt.

Meistens haben diese Wege eine Gemeinsamkeit: Du als Mensch musst dich anstrengen, um Gott zu erreichen oder ihn zum Handeln zu bewegen. Aber er wirkt und begegnet dir, weil er es kann und will – nicht, weil du es durch deine Willenskraft endlich geschafft hast, ihn zu erreichen.

Kannst du das akzeptieren? Das ist dein Beitrag. Vertrauen ist ein wichtiges anderes Wort für Glauben.

Glaubst du, dass du es nötig hast, dass er dich rettet? Und glaubst du, dass er jetzt gerade schon versucht dir zu begegnen? Das heißt es, Gott zu vertrauen.

Gebet: die Türe zu Gottes Herz
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Gottesbegegnungen kannst du nicht herstellen. Aber du kannst Gott ausschließen. Oder du kannst für ihn offen sein. „Jesus, ich will dir begegnen. Aber ich weiß nicht wie. Hilf mir!“

Jesus antwortet! „Merkst du nicht, dass ich vor der Tür stehe und anklopfe? Wer meine Stimme hört und mir öffnet, zu dem werde ich hineingehen, und wir werden miteinander essen – ich mit ihm und er mit mir“ (Offb 3,20).

Du bestimmst, wie eure Beziehung läuft

Gebet bedeutet sich mit Gott austauschen und mit ihm Zeit verbringen. 

Wenn ich mit meinem Mann wirklich Zeit verbringen und ihn verstehen will, gibt es nur einen Weg: Gespräch. Wir können viele andere Dinge unternehmen. Aber sie werden nie das erreichen, was ein Gespräch kann.

Wir könnten uns als Ehepaar auch einfach darauf konzentrieren, dass die Liebessprache des anderen irgendwie abgedeckt wird. Aber wenn wir nicht um ehrliche – und manchmal auch anstrengende – Kommunikation kämpfen, dann fehlt etwas Entscheidendes.
So ist auch die gezielte Zeit mit Gott so entscheidend für deine Beziehung mit ihm.

Und in der Beziehung zu einem Menschen oder der Beziehungen zu Gott braucht es Worte. Wir Menschen sind in diesem Punkt unter allen Lebewesen einzigartig.

Nur durch Gottes Worte lernst du ihn kennen. Und nur durch deine Worte – laute oder auch innere Worte und Gedanken – erlaubst du Gott, dich kennenzulernen.

Das ist schon faszinierend: Gott erlaubt dir diese Abgrenzung ihm gegenüber. Ob du ihn in dein Leben einlädst entscheidest du. Und wenn du ihn in dein Leben einlädst, entscheidest du immer noch, in welche Bereiche du ihn lässt. Nicht er.

Stell dir vor, dein Leben ist ein Haus mit vielen Räumen. Bei vielen Menschen darf Gott zwar rein, aber nicht weiter als in den Flur. Wie ist das bei dir? Darf er in das Zimmer deiner Süchte? Deiner Wut auf einen Menschen? Deiner Geldgier? Deiner Traurigkeit… Du hast in dir unendlich viele Bereiche, die du vor Gott „verstecken“ kannst. Aber er will dir im Schmutz deines Lebens begegnen und hat keine Angst, sich die Füße dreckig zu machen. Durch dein Reden mit ihm gibst du ihm Zutritt. Lass Jesus nicht im Flur stehen.

by Max Vakhtbovych

Dein Gebet: gute oder schlechte Gesprächskultur?

Vielleicht fragst du dich, wie genau Reden mit Gott geht? Einfach reden wie mit einem Menschen? Ja und Nein. Denn Gespräche mit einem Mitmenschen können total schieflaufen und einseitig sein: wenn dein Gegenüber zum Beispiel ständig redet und nie zuhört. Noch schlimmer ist nur: nie reden und trotzdem nicht zuhören. Das tötet jede Beziehung. Auch wenn es nach außen keiner bemerkt.

Du kannst jeden Tag hundert Infos über Dinge austauschen, die dein Partner erledigen soll, oder besser noch: was er falsch gemacht hat.  Oder was bei den Kindern los ist. Der neuste Tratsch aus der Nachbarschaft. Was am Haus gemacht werden muss.  Aber du weißt: „Mein Partner weiß eigentlich überhaupt nicht, wer ich wirklich bin und wie es in mir wirklich aussieht.“  

Solche Kommunikation macht auch Gebet anstrengend. Gott darüber zu informieren, was er in der Welt ändern sollte.

Neulich hat mir ein junger Christ gesagt: Er will ja mehr beten, aber irgendwann weiß er einfach nicht mehr was. Ja, was gibt es denn jetzt noch zu sagen? Nochmal alles von vorne erzählen? Diesmal mit etwas mehr Leidenschaft?

Gott eine To-Do-Liste zu geben ist ermüdend. Denn eigentlich hungert dein Herz wirklich verzweifelt danach, ihn zu erleben. Vielleicht nimmst du das oft nicht wahr. Aber der Hunger nach schönen Erlebnissen ist in deiner DNA tief eingespeichert! Und ich bin mir sicher: auch du unternimmst sehr viel, um diesen Hunger zu stillen. Deshalb treff dich mit ihm damit du innerlich satt wirst.

Ein weiterer Punkt, der Gebet sehr anstrengend macht, ist die falsch Vorannahme: Ich muss mich verändern, um Gott zu erleben.

Dieser Glaube, oder vielmehr diese Lüge, hält dich lebenslang von beidem ab: Gott zu begegnen und innere Veränderung und Befreiung zu erfahren.

Deine Entscheidung – seine Kraft

Gemeinschaft mit Gott geschieht vor allem wegen einer Person: Gott selbst, der vor deiner inneren Türe steht, höflich anklopft und wartet, bis du ihn reinlässt. Und dann kommt er rein. Punkt.

Deshalb will ich dir diese Frage stellen: Darf Jesus bei dir reinkommen? Darf Jesus die Wahrheit über dich sehen und Dinge ansprechen? Und darf er dich lieben?

Gott klopft an dein Herz an und fragt dich: willst du mir gehören?
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Gott hat Leidenschaft und Interesse für dich. Er macht es möglich, dass du von ihm hören und seinen Frieden erleben kannst.

Dein Beitrag dabei ist es, dein Herz zu öffnen und es ihm zu schenken. Er hat sich schon für dich entschieden. Die Frage ist: entscheidest du dich für ihn?

Gott liebt es, wenn du ihn suchst. Aber vor allem liebt er es, wenn du ihn findest.

Ich freu mich zu hören, ob ich dir in diesem Prozess weiterhelfen kann.

Deine Anita